24.01.13

Das erste Selbstportrait oder die Kunst, die Dinge auf den Punkt zu bringen

zypogh.fragt.was.:Ein.Interview.mit.C.Dammert:.

Bild links: Selbstportrait (2012) / Bild rechts: 'lost rooms' (2011) christian-dammert.de

Christian Dammert ist einer der bekanntesten Auftragsfotografen Mannheims. Aber nicht nur. Er ist Fotokünstler, zu dem die Ausstellungen kommen, nicht umgekehrt. So auch 'Shanghai Diaries', seine erste Ausstellung in der 'Ten Gallery' vom 26.01. bis zum 08.03.2013 in Mannheims T6-Quadrat. Das Thema ist 'Menschenleere' ausgedrückt in Aufnahmen von Shanghai, die ein ganz anderes Shanghai zeigen, als wir es vielleicht sonst kennen. Aber nicht nur. Die Anwesenheit von Menschen ist deutlich spürbar - jenseits der Leere. zypogh hatte die Ehre, C. Dammert vor der Vernissage am 26.01.2013 zu befragen. Aber nicht nur. Herr Dammert, seines Zeichen ein unbeschreiblich angenehmer Geselle, hat uns die erste Veröffentlichung eines Selbstportraits erlaubt. Und damit deckt zypogh gerne wieder Kunst.form auf…

Du trennst auf deiner Website Auftragsarbeiten strikt von freien Arbeiten - gibt es auch einen Unterschied zwischen dem Auftragsfotografen und dem Künstler Dammert?

Ich würde sagen, die Herangehensweise ist eigentlich die gleiche. Der Unterschied ist nur der, dass man natürlich für die Auftragsarbeiten je nach Briefing auf eine gewisse Art und Weise eingeschränkt ist. Ich versuche aber auf jeden Fall, dass die Arbeiten trotzdem eine gewisse Handschrift oder ein Gefühl bekommen - deswegen buchen mich ja auch die Leute. Ich verstelle mich jetzt nicht, sag' ich mal.

Was zeichnet die Handschrift deiner Arbeiten aus?

Es ist schwierig, selbst über sich solche Dinge zu beschreiben. Aber im Grunde genommen bin ich eigentlich immer auf der Suche, Dinge so minimal wie möglich zu fotografieren beziehungsweise einfach auf den Punkt zu bringen - alles Unnötige wegzulassen, Dinge zu reduzieren, um dem Betrachter im besten Falle einen gewissen Freiraum zu lassen, eigene Bilder für sich entstehen zu lassen. 

Wie hast du diesen Stil gefunden, ihn entwickelt?

Alles entwickelt sich jeden Tag. Ich fotografiere schon sehr lange, was mich beschäftigt und im Grunde genommen sind die Fotografien ein Tagebuch für mich. Manchmal fotografiere ich viele Menschen, manchmal nicht..., und so ändert sich mein Stil im Laufe der Zeit, wie ich mich selbst entwickele. Ich versuche, mich dabei wirklich frei zu machen und im besten Falle intuitiv zu arbeiten, gar nichts zu denken, weil ich den Prozess des Fotografierens an sich für mich liebe, weil ich da einfach entspannen kann und, ja, mein Kopf stillsteht und je nachdem, wie ich mich fühle, entstehen dann dementsprechend Bilder - manchmal düstere, manchmal nicht… Das ist eigentlich schon ein intimer Teil von mir - sozusagen, die Fotografie.

Was ist dein liebster Ort?

Spontan würde ich jetzt sagen, am liebsten sind das Orte, die ich nicht kenne, weil es einfach viel Neues gibt, viel Input, viele Dinge, die ich wahrnehmen kann. Das kann eigentlich überall sein. Ich glaube, es kommt immer darauf an, wie man sich selbst fühlt. Wenn man sich nicht mag oder wenn man eine schwierige Phase hat, dann kann man sein, wo man will - man findet nicht unbedingt den Zugang dazu... Eigentlich ist alles schön, je nachdem, wie man es sieht. You are what you see. You see what you are.

Und in Bezug auf die Orte, die du fotografierst?


In Shanghai hat mich jetzt zum Beispiel einfach nur interessiert, dass ich China überhaupt nicht kenne. Tokio und bestimmte Regionen Thailands kenne ich schon und deswegen ist es irgendwie sehr faszinierend gewesen, einen weiteren Teil Asiens kennenzulernen. Ich habe einen Freund besucht, davor viel gearbeitet und bin ohne richtige Vorstellung oder Erwartung nach Shanghai geflogen. Wie man in der Ausstellung sieht, habe ich dann auch viele ruhige Momente erwischt, vermischt. Als ich dann zurückkam, musste ich erst mal alle Bilder liegenlassen, weil mir das alles zu viel war und erst nach einem viertel Jahr hatte ich dann wirklich Abstand von mehreren tausend Bildern, die ich eigentlich gemacht habe und dann ging es irgendwie darum, das herunterzubrechen. Das war der Prozess aber letzten Endes war ich einfach nur neugierig, weil ich wusste, dass irgendetwas passiert, weil es einfach so verschieden ist zu Europa. Ich könnte mir aber auch sehr gut vorstellen, nach Russland oder wohin auch immer zu gehen. Es gibt einfach Städte, zu denen hat man sofort einen Bezug und dann wieder eher weniger - das kann man eigentlich nicht so richtig erklären.

Was wünschst du dir von einem Betrachter, der zum ersten Mal vor deinen Arbeiten steht?

Also, ich hab jetzt nicht den großen Anspruch, das ist nicht unbedingt die Motivation - es ist etwas, das ich für mich tue, etwas, das mir wichtig ist, eine Möglichkeit, mich ohne Worte auszudrücken. Im besten Fall kann ich eigentlich nur eine Plattform bieten und letzten Endes muss der Betrachter für sich entscheiden 'macht das Bild mit mir irgendetwas?'‚ 'Bringe ich es zu Ende in meinem Kopf?' oder 'Was sehe ich? '. Es ist schwer, das zu erklären. Das ist, glaube ich, auch nicht meine Aufgabe. Ich würde mir einfach wünschen, dass es zumindest Menschen gibt, die vor einem Bild stehen und einfach Interesse haben, kurz aus ihrer Realität auszusteigen und sich einzulassen mit dem, was ich und sie selbst bieten. 

Welche Bedeutung hat das Selbstportrait für dich als Foto-Künstler?

Also, ich habe mich auch schon ertappt, mich ab und zu selbst zu fotografieren. Sei es im Spiegel, direkt, wie auch immer, aber ich habe noch nie irgendetwas veröffentlicht. Keine Ahnung warum und weshalb, aber wer weiß... Im Grunde genommen ist es vielleicht ein Versuch, sich anderen Menschen zu erklären mit der Art und Weise, was man tut und letzten Endes geschieht es auch in verschiedenen Etappen - manchmal von zehn Jahren, zwanzig Jahren, das ist wahrscheinlich einfach ein Ist-Zustand der jetzigen Phase. 

Was ist eigentlich Kunst?


Zum einen ist das wirklich komplex. Ich würde mir jetzt niemals anmaßen, zu sagen, dass ich eine allgemeingültige Definition für Kunst hätte. Unterm Strich geht es wahrscheinlich schon um Austausch, der stattfindet. Kunst ist etwas Menschliches - ohne Menschen keine Kunst. Im besten Falle ist die Kunst ein Energieträger, der sich im Endeffekt durch den Künstler bzw. jetzt gerade bei der Fotografie durch seine Sichtweise entlädt und im besten Falle auf den Betrachter überträgt. Im Grunde ist alles und nichts Kunst, das ist wirklich sehr schwierig. Gerade in letzter Zeit habe ich mich öfters damit beschäftigt. Man kann natürlich nur für sich entscheiden, was Kunst ist, aber ich habe über die Möglichkeit nachgedacht, es so zu definieren, dass alles, was unnatürlich ist, Kunst ist. Ein Baum an sich ist ja zum Beispiel schon etwas Wunderbares aber er hat in dem Sinn kein Bewusstsein, keine Bedeutung aber ein Bonsaibaum wiederum, beziehungsweise jemand, der aus einem Baum eine Skulptur erschafft, macht es dann vielleicht zu Kunst, weil ein Teil von jemandem drin steckt und dem, was vorhanden ist, eine andere Bedeutung gibt.

Und Kunstqualität? Was macht für dich Qualität in der Kunst aus?

Das ist auch wieder schwer, sich anzumaßen zu entscheiden, was gute Kunst und was schlechte Kunst ist. Das entscheiden letzten Endes andere. Also gute Kunst ist für mich zeitlose Kunst und das einzige, was sich dann wahrscheinlich ändert, ist die Sichtweise der Menschen. Dann gibt es einfach Bilder oder Sachen, die man sieht und sagt 'nett, schön' und dann gibt es wieder Dinge, die noch eine gewisse Zeit nachklingen, die vielleicht im ersten Moment Fragen aufwerfen und erst dann, wenn man mal bereit ist, sich darauf einzulassen, eine gewisse Wertigkeit bekommen. Also bei mir ist es so, dass mich einfach Bilder oder Kunst eher auf den zweiten Blick ansprechen oder wenn das Bild oder das Kunstwerk an sich etwas bei mir auslösen, also Assoziationen wecken oder gerade etwas Emotionales treffen. Dabei finde ich, je subtiler, desto stärker ist ein Bild. Also, wenn man mit wenig auskommt, um eben die gewisse Magie zwischen Kunstobjekt und Betrachter zu schaffen. Wenn das auf eine subtile Art und Weise geschieht, dann ist die Chance groß, dass es zeitlos ist und nicht plakativ. Manchmal ist es auch gar nicht das Motiv an sich. Manchmal geht es auch um den Bildaufbau, um eine gewisse Harmonie zu erreichen. Also je minimaler, desto angenehmer ist es für mich.


// Martyna Swiatczak für zypogh mit ganz besonderem Dank an Christian Dammert und die Ten Gallery - 18.01.2013

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