22.09.11

zypogh.fragt.was.:Ein.Interview.mit.Konstantin.Voit.zu.seiner. MALFABRIK:.




Der Mannheimer Künstler Konstantin Voit hatte vor seiner Ausstellung für 7 Wochen ein offenes Atelier in der Stadtgalerie Mannheim. Hier hat er sich von der Öffentlichkeit beim Schaffensprozess über die Schulter schauen lassen. Seine Ausstellung begeistert uns, seine Persönlichkeit aber auch. zypogh wollte den Mann näher kennenlernen, der sowohl die Fibonacci-Folge als auch eine ordentliche Prise Ironie in sein Werk einfließen lässt und dabei das System seiner Kunstproduktionsstätte 'MALFABRIK' offen.legen.
Letzte Gelegenheit Werk und Künstler in der Stadtgalerie zu sehen, ist der kommende Sonntag- 25.09.2011.

Wie entstand die Arbeit mit der Schablone?

Konstantin Voit: Angefangen hat alles mit der so genannten Urschablone. Ein Kinderspielzeug, das mir vor 18 Jahren zufällig in die Hände fiel. Es trug damals schon eine Faszination für mich in sich, die bis heute wirkt. Ich sah den Gegenstand und konnte im ersten Moment nicht genau erkennen was es war, bis ich näher kam und feststellte, dass es sich um eine blaue Kindermalschablone einer Lokomotive handelte. Dieser Moment ist der, der mich immer noch fasziniert. Es ist ein Wechsel zwischen Abstraktion und realem Abbild, das, je nachdem wie man es verwendet oder aus welcher Distanz man es betrachtet, changiert.

Kannst du das System hinter deiner Arbeit erklären?


Konstantin Voit: Ich habe damals eine Arbeit angefertigt, die sich das 'System' nennt. Das ist ein Ideenkatalog, der fast 1000 Elemente umfasst. Dort habe ich Ideen abgelegt, die mir im Laufe der Zeit über den Weg gelaufen sind. Es war klar, dass die Lokomotiven-Schablone da hinein gehört, um irgendwann einmal malerisch verwendet zu werden. In den kommenden Jahren ist daraus eine Ursammlung entstanden, die ca. 20-30 Schablonen beinhaltete. So fing ich an, mein ganzes persönliches Kunstsystem neu aufzubauen. Das war der Startschuss der malerischen Arbeit, die ein Jahr später im ersten Block der Malfabrik mündete, was eine Reihe von 64 Bilder war, alle in DIN A4 Format, wo grundsätzliche Gedanken über die Verwendung von Schablonen niedergelegt worden sind. Hinter jeder auf einem Bild realisierten Form befinden sich dennoch viele andere Möglichkeiten. Die Bilder sind in Form und Farbe variierbar, ohne ihre Grundidee zu verlieren. Die folgenden Jahre habe ich dann angefangen, aus diesem ersten Block Ideen herauszufiltern und erneut auszubauen. Im ersten Block gibt es z. B. eine Flagge. Später habe ich diese Flagge aufgenommen und gestaltete einen ganzen Block nur mit Flaggen, mit unterschiedlichen Hintergründen, verschiedenen Schablonen. So kann man die mittlerweile 10 verschiedenen Blöcke auf eine Idee im ersten Block zurückführen. Und die Idee lässt sich auf eine Schablone im System zurückführen. Das ist also eine stark konzeptionell geprägte Arbeit, die seit 18 Jahren läuft und ihre Urquelle in diesem System hat. Ich habe mir also mit meinem System ein Wissenspool geschaffen, auf den ich immer wieder zurückgreifen kann, wenn eine Entscheidung ansteht.

Du arbeitest derzeit an dem 10. Block namens 'Equinox'. Wie kam es zu dem Namen?

Konstantin Voit: Equinox ist so eine Art Startschuss für was prinzipiell Neues. Equinox bedeutet 'Tagundnachtgleiche' und kommt aus der Astronomie. Als ich in Mexiko war, besichtigte ich eine Pyramide, wobei mir erklärt wurde, dass sich bei einem bestimmten Sonnenstand, ein Schatten in Form einer Schlange auf die Treppen der Pyramide legt. Das war beim Erbauen der Pyramide so vorgesehen, was mich faszinierte. Da es im 10. Block sehr stark um die Deckungsgleichheit von Fläche und Linie geht und auf die beiden ersten Bilder sehr dunkel sind mit herausblitzenden, leuchtenden Flächen, kam dieser Name sehr intuitiv. Ich fand den Namen für diesen Block, also diese Bilderreihe, sowohl passend als auch poetisch.

Wenn du den 1. Block und 'Equinox' betrachtest, was hat sich entwickelt und was blieb unverändert?

Konstantin Voit: Der Unterschied zum 1. Block liegt vor allen Dingen daran, dass ich nun ein Computerprogramm benutze. Mir ist es nun möglich, Schablonen zu skalieren oder zu verzerren. Ebenso kann ich die Formatgröße variieren. Ich habe also alle Schablonen digitalisiert. So arbeite ich noch mit den Ursprungsformen, aber nicht mit den Ursprungsschablonen. Es ist nicht mehr nur ein Wechselspiel zwischen mir und den Schablonen wie im 1. Block, sondern zwischen mir, den Schablonen und dem Computerprogramm. Aber das Grundprinzip ist geblieben. Ich nehme mich einer Sache an und erforsche sie bis in den letzten Winkel, was für mich einer wissenschaftlichen Arbeit gleicht.

Deine Werke sind exakt reproduzierbar. Was bedeutet das für dich?

Konstantin Voit: Reproduzierbarkeit zu gewährleisten, ist mir wichtig. Dabei spielt die Entmystifizierung des Künstler-Genius eine wichtige Rolle. Ich möchte gar nicht der geniale Künstler sein, sondern betrachte Kunst durchaus als Arbeit und Wissenschaft. Ich suche also immer nach einer Logik, die zwingend ist. Diese Logik findet sich sowohl in meine Auflagenanzahl, als auch in der Formatwahl der Bilder wieder, wobei ich mich auf die Fibonacci-Folge berufe. Meine Kunst ist sehr mathematisch geprägt, sehr eckig und logisch.


Wie groß ist deine Schablonensammlung und mit welchen Schablonen 'spielst' du am liebsten?

Konstantin Voit: Nun sind es über 5000 Schablonen in der Sammlung, die immer weiter wächst. Früher habe ich kistenweise Schablonen in Spielwarenläden eingekauft, da eine Schablone nach fünfmal besprühen unbrauchbar wurde. Jetzt nutze ich Plotterfolien, die eine andere Arbeitsweise ermöglichen. Die Schablonensammlung beschränkt sich zum größten Teil auf Kindermalschablonen, obwohl ich exemplarisch Architektur- Schablonen und Deko- Schablonen besitze, die ich in meinen Bildern aber nicht benutze, da sie schon für eine künstlerische Verwendung vorgesehen sind. Das nimmt dabei für mich den Reiz. Bei Kindermalschablonen ist das anders. Der Bruch interessiert mich, wenn aus billigem, verschrieenen Plastikzeug anspruchsvolle Kunst entsteht.

Wieviel Ironie steckt hinter deiner Kunst? Wenn du über deine Werke auf Facebook abstimmen lässt, wie ernst nimmst du deine Kunst?

Konstantin Voit: Ich glaube, dass es da zwei Seiten gibt. Zum einen möchten Künstler durchaus ernstgenommen werden, wobei ich die Kunst oder mich wiederum nicht zu ernst nehme. Humor gehört für mich in der Kunst unmittelbar dazu. Ich glaube, dass der Trick bei mir ist, dass ich durch die Verwendung meines Materials, was allein schon zum Schmunzeln anregt, auf der anderen Seite so ernsthaft wie ich möchte an die Arbeit rangehen kann und es bleibt immer etwas Leichtes, Spielerisches, Ironisches vorhanden. Das ist genauso, wie ich reale Formen der Schablonen benutze und mir dadurch keine Gedanken um die Formgebung oder das Bildthema machen muss. Das schmeiße ich alles über Bord, um zu dem zu kommen, was mich wirklich interessiert, nämlich Bilder zu gestalten, neue Kompositionen zu finden, Schichten übereinander zu legen, zu beobachten, was Spannendes und Neues passiert.

Wie hat dir die Arbeit in der Stadtgalerie Mannheim gefallen?

Konstantin Voit: Die Arbeit im offenen Atelier war super, etwas zu kurz, aber lang genug, damit etwas entstehen kann. Für mich waren es einfach optimale Bedingungen. Es war immer etwas los, ohne zu viel zu werden. Ich war eingebunden und wurde wahrgenommen, ohne von meiner Arbeit abgehalten worden zu sein. Gleichzeitig gab es einen zeitlichen Druck, der motiviert hat. Insgesamt ist ein gutes Dutzend Bilder in dieser Zeit entstanden, womit ich zufrieden bin.

Wie siehst du die Entwicklung der Kunst in Mannheim?

Konstantin Voit: Grundsätzlich hat sich was getan, aber noch nicht genug. Im Vergleich zu anderen Städten ist noch was zu machen, gerade für Mannheim als Bewerber für die Kulturhauptstadt 2020. An dieser Stelle würde ich gerne dafür appellieren, dass die Stadt ein Atelierhaus in einer so attraktiven Lage, wie die Stadtgalerie sie hat, zulegt. Hier könnten sich Künstler für einen Zeitraum von ca. 5 Jahren einmieten, arbeiten und austauschen. Das würde die Kunst in der Stadt unglaublich pushen. Wenn das Ganze mit einem Stipendium kombinierbar wäre, so dass Leute von Außerhalb die Motivation hätten, nach Mannheim zum kreativen Arbeiten zu kommen und somit frischen Wind hinein bringen würden, wäre das das Sahnehäubchen. Mannheim könnte eine Vorreiterfunktion übernehmen, indem es als die erste Stadt ein Stipendium in der Innenstadt anbieten würde und nicht Künstler aufs Land ziehen würde, wie das sonst der Fall ist. Wäre es nicht toll wenn die Leute aus Berlin hierher kommen würden und nicht umgekehrt?

// Elena Horkova und Martyna Swiatczak für zypogh - 20.09.2011







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