19.09.11

zypogh.berichtet.: Stoffwechselgalerie 'Tonight.The.Streets.Are.Ours' 06.08-04.09.2011:.
zypogh.fragt.was.:Ein.Interview.mit.Andreas.Huber(SOLID).und. Felix.Brendel:.

… ist die Forderung der momentanen Ausstellung in der Stoffwechsel Galerie in Mannheim.

Die Straße als öffentlicher Raum ist zentral. Petra Stamm hat sich dieses Genres angenommen:

'In Mannheim gibt es Potenzial, nämlich ein Riesenpotenzial an Künstlern, die unentdeckt sind, aber gerne auch an die Öffentlichkeit treten möchten. Es fehlt nur noch die Struktur, die Leute sind nicht miteinander verbunden, kennen sich teilweise gar nicht, kennen auch nicht die Interessenten und deswegen ist es wichtig, als Verknüpfung, als Stoffwechsel, eine Plattform zu schaffen, damit die Leute in Kontakt treten können, damit man kreativ sein kann, damit es aufgenommen wird und damit die Kunst, also das Können auch bezahlt wird. Das ist eigentlich im Prinzip ein kleiner Ausschnitt von dem, was alles möglich sein kann und möglich sein wird.'

In ihrer Galerie arbeitet sie mit Streetart-Künstlern zusammen, erfüllt Stadt(teil)arbeit, spricht, aktiviert und schafft Verbindungsstellen. Es geht darum, den Blickwinkel der Bevölkerung, der Leute in der Stadt, der Anwohner, der Jugendlichen, der Älteren zu verändern, indem die Beleuchtung auf Kunst von der Straße anders stattfindet.

…'Tonight the Streets are ours' ist also auch eine Forderung der Künstler, gesehen und verstanden zu werden. Je mehr zugelassene Flächen bereitgestellt werden, umso mehr kann solche Kunst dann auch zum Ausdruck kommen. Denn diese Kunst bedeutet eine Hingabe, eine Liebe, eine Zuneigung für eine Sache, die man gerne macht. Für die Stadt.

Die Ausstellung hat an die Wand gebracht, was draußen passiert. Die Vernissage hat uns begeistert: Neben den einzelnen Werken von neun Künstlern, wurde in gemeinsamer Produktion die Wand der Galerie bemalt. Es ist etwas in einem Moment, in einem Raum passiert, das sich sonst auf der Straße erst in Jahren entwickelt – eine Zeitraffung – doch ebenso ein vergängliches Stück Kunst. Letzte Gelegenheit ist die Finissage am 04.09.2011+++15-18 Uhr!

.:zypogh stellt Euch zwei Persönlichkeiten der Ausstellung vor:.

Andreas Huber (SOLID) malt Graffiti auf Leinwand. In der Ausstellung 'Tonight the Streets are ours' fällt er durch präzise, detailierte und vielschichtige Werke auf. Er lässt den Betrachter in seine Arbeiten versinken und Tiefen der Konzentration erahnen. Als Künstler hielt er sich zumindest bei der Vernissage bedeckt und eher hinter seiner Kamera.zypogh.fragt.nach.

Wie bist du zum Graffiti-Künstler auf Leinwand geworden?

Andreas Huber: Das ist eine gute Frage. Ich male schon immer. 1995 habe ich dann mit Graffiti angefangen und vor ca. einem Jahr ging ich von der Wand auf die Leinwand. Das war so ein Prozess, der mich einfach gefesselt hat. Wenn ich an der 'Hall' male, dann male ich ein bis zwei Tage und das war's. Aber eine Leinwand kann ich mir immer wieder nehmen und da noch was machen und da noch was machen. Ich kann mir die Mühe auf der Leinwand geben, die ich mir auch geben will. Das ist mein persönlicher Grund, warum ich umgestiegen bin.

Du stellst Streetart in einer Galerie aus. Bist du deswegen auch auf Ablehnung gestoßen? Wurden dir materialistische Absichten unterstellt?

Andreas Huber: Nein, also bisher habe ich eher Positives über meine Sachen auf Leinwand gehört, das freut mich. Graffiti findet mittlerweile nicht nur draußen statt. So ist einfach die Entwicklung. Ich male ja nicht auf Leinwand, um jetzt hier dick abzusahnen, wobei ich natürlich nichts dagegen hätte, mit meiner Kunst Geld zu verdienen. Warum soll ich nicht mit der Sache Geld verdienen, die mir wichtig ist im Leben und die ich wirklich gerne mache? Das Malen auf Leinwand ist für mich mehr oder weniger ein 24 h Job, die Art und Weise, wie ich die Bilder male. Ich male da nicht 5 h und dann ist es fertig, sondern ich male so lange, bis nichts mehr geht und dann mach ich ein Foto, sehe es aus einer anderen Perspektive an, schaue es mir immer wieder an bis etwas Neues entsteht. Eine Leinwand ist im Grunde für mich selten wirklich fertig. Mir sind halt Details wichtig. Hätte ich die Geduld dazu, würde ich gerne mal ein Jahr lang an einem einzigen Bild malen und immer tiefer und immer tiefer gehen. Das würde ich gerne machen, aber ich habe nicht die Geduld dazu. Vielleicht sollte ich mehr meditieren…

Kannst du uns mehr zu deinen Bildern sagen?

Andreas Huber: Ich kann nur sagen, was ich derzeit darüber denke: Ich denke, jedes Werk oder egal was man im Leben macht, ist ein Spiegel zu deiner Seele und je nach dem sehen die Dinge auch aus. Für mich ist in den letzten Wochen einiges klarer geworden in Bezug auf meine Bilder. Davor habe ich die Aussage lange gesucht, wollte sie immer erkennen. Jetzt habe ich sie für mich selbst erkannt. Welche das ist, möchte ich nicht öffentlich preisgeben, wenn es jemanden wirklich interessiert, kann er mich gerne unter vier Augen ansprechen… Ich denke einfach, dass sie mein Leben im Moment widerspiegeln, was passiert, was ich fühle, in welchen Dingen ich gerade stecke und vielleicht wo ich hin will aber noch nicht bin. Es sind immer recht dunkle Elemente dabei, also wie z.B. bei 'Direction Light' die ganzen Verwurzelungen, alles ziemlich detailliert und verstrickt, aber irgendwo kommt dann Licht...

Was ist Streetart?

Andreas Huber: Ich weiß nicht, woher dieser Begriff überhaupt kommt. Früher gab es Graffiti und Graffiti umfasste alles. Streetart heißt auf Deutsch 'Straßenkunst' und da gehört doch auch alles dazu. Streetart wird aber eher auf Schablonenarbeiten, auf Sticker, auf irgendwelche 'Messages' reduziert und es wird oft so hingestellt, als würde Graffiti nicht dazugehören, aber Graffiti ist auch 'Straßenkunst'. Ich meine, so gesehen ist Neandertaler Höhlenmalerei auch Streetart. Ich denke, man sollte das Ganze nicht in so viele verschiedene Kategorien verschachteln, dieses Wort an sich ist für mich eine Modeerscheinung.

Welche Motivation steht hinter Streetart?

Andreas Huber: Die Motivation ist ganz unterschiedlich: Der eine malt, weil er 'Fame' will, dann gibt es andere Leute, die wollen wirklich eine 'Message' rüberbringen, wollen vielleicht die Leute aufwecken. Und das sind dann nur zwei verschiedene Persönlichkeiten von Künstlern, es gibt noch 10.000 andere. Es gibt wahrscheinlich so viele Beweggründe, wie es Künstler gibt.

Wie wichtig ist 'Fame' für dich?

Andreas Huber: 'Fame' ist vielleicht ein Bestandteil von der ganzen Sache, aber es ist nicht der Antrieb, warum ich male. Das ist einfach etwas, was entsteht, wenn die Leute meine Sachen mögen und dann freue ich mich natürlich. Aber würden meine Bilder niemanden gefallen, würde ich trotzdem weitermalen. 'Fame' ist vielleicht ein schönes Nebenprodukt, wie ab und zu mal ein gutes Essen.

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Felix Brendel malt oft live vor Publikum und ist damit fester Bestandteil der Spontanen Euphorie-Partyreihe in der Disco Zwei geworden. Als Flyer malt er gerne Gestalten, die den Empfänger ansprechen - 'du bist allein, weil du irgendwie komisch bist…? dann komm vorbei und wir reden darüber!' Er ist der Newcomer der Ausstellung. Sein Stil ist experimentell, seine Leinwände ständig in Bewegung, er spielt mit dem Zufall, lässt Farben verlaufen und Motive ungeplant entstehen.zypogh.fragt.nach.

Wie bist du Teil der Ausstellung geworden?

Felix Brendel: Das war eigentlich ganz lustig. Ich war bei der Vernissage von Bernardo Maldonado Morales und da habe ich in das Gästebuch reingekritzelt und daraufhin kam die Petra auf mich zu, weil sie das schön fand und dann kam irgendwann die Anfrage wegen 'Tonight the Streets are ours'.

Warum machst du das, was du machst?

Felix Brendel: Es ist so, würde ich es nicht machen, würde mir etwas fehlen. Also wenn ich lange Zeit nicht male, dann geht es mir auch nicht gut damit. Es macht Spaß, sich immer wieder neu zu beweisen, dass man etwas kann, dass man etwas anderes kann, dass man nicht begrenzt ist. Das habe ich hauptsächlich mit der Malerei. Wenn ich male und es kommt am Ende etwas Gutes raus, dann fühle ich mich gut damit und wenn es nicht gut ist, dann muss ich so lange weitermachen, bis es mir gefällt. Deswegen mache ich das.

Wie arbeitest du? Wie entstehen deine Werke?

Felix Brendel: Ich habe mir bei meiner Arbeit nie Grenzen gesetzt und ich weiß ehrlich gesagt vorher nie, wie ein Bild aussehen wird, wenn es fertig ist. Mich inspiriert meistens der Zufall, also ich fange an zu malen und wenn ich dann irgendetwas darin sehe, was eigentlich nicht geplant war, dann wird das ausgearbeitet, dann versuche ich, es nachzuempfinden, mache es vielleicht noch auf eine neue Leinwand. Ansonsten ist es wirklich so: Ich finde etwas schön und dann mache ich es einfach. Das meiste kommt bei mir von innen.

Was ist Streetart?

Felix Brendel: In einem nicht dafür vorgesehenen Raum einfach etwas Schönes zu schaffen oder etwas Beängstigendes, so dass jeder, der vorbeiläuft, eine Assoziation hat, die einfach an die Wand geklatscht ist oder dreidimensional irgendwo rumsteht. Ich hab das manchmal wenn ich lange durchgefeiert habe, dass ich mit einem Tunnelblick durch die Welt laufe und wenn ich dann so etwas sehe, dann holt es mich wieder auf den Boden, dann werde ich kurz zurück in die Realität geholt: Du fährst zum Beispiel jeden Tag denselben Weg in die Arbeit und dann merkst du, dass das plötzlich nicht mehr der selbe Weg ist. Man kann natürlich sagen, dass man den Leuten so ein bisschen aus ihrem Alltagstrott heraus helfen kann, aber es geht schon tiefer, das kann einen manchmal wirklich aus einem tiefen Loch herausziehen.

Wie stehst du dann zu Streetart auf der Leinwand in einer Galerie?

Felix Brendel: Das ist natürlich eine ganz andere Geschichte, weil es dann irgendwie aus dem Kontext gerissen ist, aber es ist dann einfach schön. So würde ich das nennen. Du siehst die Motive und das sind einfach schöne Arbeiten, z.B. die Sachen vom Solid sind extrem geil. Das 'Direction Light' könntest du an der 'Hall' gar nicht machen, da stehst du ja 10 Jahre.

Du stehst als Künstler gerade am Anfang, in der Stoffwechsel Galerie stellst du zum ersten Mal aus. Was wünschst du dir?

Felix Brendel: Im Moment möchte ich einfach viele Leute erreichen. Ich will, dass das viele Leute sehen und es ist mir egal, was sie denken, ich will einfach, dass so viele Leute wie möglich meine Sachen sehen. Und natürlich möchte ich damit auch etwas Geld dazuverdienen.

Was möchtest du in den Leuten auslösen?

Felix Brendel: Das ist genau das Problem. Ich glaube nicht, dass ich allzu viel in den Leuten auslösen kann, draußen auf den Straßen geht das eher, aber dazu müsste ich mich zu oft dem Risiko aussetzen, erwischt zu werden.

// Martyna Swiatczak für zypogh - 05.08.2011


Und zuletzt sei gesagt: man munkelt, die beiden Jungs wollen beim Nachtwandel ein gemeinsames Projekt starten… zypogh hält Euch auf dem Laufenden!